Eine kleine Zeitreise
"Nimm doch unsere Norwegentour als nächste Geschichte", so klingt es mir in den Ohren. Gute Idee. Die ist nur schon etwas länger her. Zu dieser Zeit gab es die ersten mobilen Telefongeräte gerade einmal fünf Jahre. Und diese waren dazu unbezahlbar und hatten mit "Smart" noch nichts zu tun. Die ersten Digitalkameras waren zwar schon auf dem Markt, aber unerhört teuer und besaßen dazu noch lange nicht die Fähigkeiten heutiger Geräte. Wir fotografierten noch mit der guten alten Spiegelreflex, analog und mit Dias. Ja, es gab auch die ersten GPS-Geräte für die Öffentlichkeit. Sie waren groß und schwer und kosteten damals um die 3000 Dollar und damit über 5000 DM. Wir befinden uns zeitlich etwa 2 Jahre vor der Einführung des Euro. Die Norweger haben allerdings ihre Norwegische Krone als Währung in all der Zeit behalten.
Warum ist mir diese kleine Einleitung so wichtig? Nun, im weiteren Verlauf der Geschichte gibt es einige Situationen, an denen man heute einfach sein Mobiltelefon zückt, eine App aufruft und fertig. Oder man schreibt eine Nachricht oder ruft sogar einfach an. Um also diese Tour zu verstehen, müssen wir uns gedanklich von allen diesen kleinen Helferlein verabschieden. Sozusagen waren wir "hilflos" in der Natur unterwegs. Mit alten analogen Karten. Heute würde man daraus eine Survivalshow machen, früher war das einfach Urlaub. Und welches Jahr war das jetzt? Das ist die Aufgabe für den geneigten Leser :-)
Die Aufzeichnungen aus dieser Zeit sind daher nicht so "üppig", die Fotos sind rar und teilweise verblichen und es kostete doch eine Menge Zeit und Recherche, um unseren "Tourenplan" zu reproduzieren. Aber es ist gelungen.
Bergen
Unsere kleine Vier-Personen-Abenteuer-Gruppe machte sich im Juni des herauszufindenden Jahres auf den Weg nach Bergen. Meine Frau war noch nicht so richtig von Norwegen als Urlaubsziel überzeugt. Viele Freunde, die von dort zurückkamen, erzählten von atemberaubenden Landschaften, aber auch Regen, Kälte und "Schwimmhäuten" zwischen den Fingern. Auch unser Norwegen-Erfahrenster in der Gruppe nahm uns jede Hoffnung. Bergen galt und gilt als die regenreichste Stadt in Europa. Wir waren also auf Wasser eingestellt. Von unten und von oben.
An einem Sonntag im Juni kamen wir gegen Mittag in Hanstholm in Dänemark an. Bis zur Abfahrt der Fähre hatten wir noch 2 Stunden Zeit, uns die wunderbare Dünenlandschaft der dänischen Westküste anzuschauen. Wir wanderten daher eine Weile am Strand und machten es uns dort ein wenig gemütlich. Die Fähre lief bereits mit leichter Verspätung ein und mit uns dann auch wieder aus. Die Überfahrt dauerte die ganze Nacht, sodass wir eine Vier-Personen-Kabine mit Ausblick gebucht hatten.
Reiseroute in Norwegen: Animation Thorsten Klook
Am nächsten Morgen, so gegen 8.00 Uhr, waren wir in Bergen. Die Fahrt des Schiffes durch die Fjorde und die sich uns darbietende Landschaft war in der Tat atemberaubend. Und das war erst der Anfang.
Wir suchten eine ganze Weile nach Parkplätzen für unsere Autos. Dabei fuhren wir, ohne Navigationssystem (!), zunächst eine falsche Abfahrt hinaus und landeten auf einer Straße mit Tunnel und entsprechenden Mautgebühren. Das war ein "super" Anfang. Also stoppten wir und suchten den Weg auf der Karte zurück. Nach einer Weile fanden wir dann auch einen Parkplatz, allerdings nur mit Parkuhr und leider nur für zwei Stunden. Wir mussten uns also sputen. Bergen hatte und hat einen schönen Fischmarkt, wie sich das auch für eine Hafenstadt gehört. Die kleinen Handelshäuser säumen seit jeher die Straßen und wir vergaßen fast die Zeit beim Bummeln in den Straßen und Geschäften. Aber es half nichts, wir mussten zurück zum Auto und machten uns anschließend auf den Weg nach Norheimsund. Die Fahrt dauerte etwas mehr als eine Stunde. Dort suchten wir die Touristeninformation, allerdings vergeblich, was uns veranlasste, weiter in Richtung Ulvik zu fahren. Unterwegs stoppten wir an einem Zeltplatz und bekamen dort den Rat, an den Fyksesund zu fahren. Das wäre mit unseren Booten genau das richtige. Der Fyksesund ist ein schmaler Nebenarm des Hardanger Fjords. Die Idee gefiel uns, denn Ulvik wäre noch einmal mindestens eine Stunde Fahrt entfernt gewesen.
Fyksesund
Wir machten uns also auf auf den Weg zum Fyksesund und suchten einen geeigneten Platz für unsere Zelte. Das war leichter gedacht als getan. Überwiegend waren es nur die steilen Felsen, die bis ans Wasser hinunterführten. Und wo keine Felsen waren, war Privatgelände. Ein Zeltplatz war weit und breit nicht zu sehen. Nach langem Hin und Her und Bjarnes* Norwegischkenntnissen bekamen wir einen Platz bei einem der freundlichen Bauern. Er hatte einen ungenutzten Abschnitt auf seiner Wiese frei, die er uns zur Verfügung stellte. Das war großartig. Allerdings betrug die Entfernung zwischen Autos und Wiese so etwa 100 m und die Strecke war felsig, uneben und teilweise auch steil. Wir hatten also gut zu tun, unser Gepäck zum Stellplatz zu bekommen. Nachdem wir dann endlich unsere Zelte aufgeschlagen, die Faltboote aufgebaut und das Feuer angemacht hatten, ja auch das durften wir, ging es uns schon wieder besser und wir genossen die abendliche Stimmung am Fyksesund.
In der Nacht regnete es. Geweckt wurden wir von den Vögeln und die Sonne schien am strahlend blauen Himmel! Die Aussicht auf das Wasser und die ganze Umgebung war sensationell. Wir genossen die wärmenden Sonnenstrahlen und ließen uns reichlich Zeit. Erst gegen Mittag waren wir mit unseren Poucher Faltbooten bereit zur Abfahrt. Nun, das lag allerdings insbesondere auch an mir. Fritz* benötigte für sein Boot noch das Multifunktionswerkzeug. Ich saß bereits im Boot und warf es ihm zu. Es landete allerdings nicht dort, wo es hin sollte, sondern genau in einer Lücke zwischen einem Steinhaufen. Also stieg ich wieder aus dem Boot heraus. Zu dritt versuchten wir das Tool aus der engen Steinspalte herauszufingern. Das dauerte. Und dann ging sie los, die erste Paddeltour bei sensationellen 25°C.
Es gab einige große und kleinere Wasserfälle, die von den steilen Felsen in den Sund flossen. Das Wasser war spiegelglatt. Der Größenunterschied zwischen unseren kleinen Booten und den gigantischen Felsen war krass. Man konnte so wunderbar weit nach vorne schauen und hatte das Gefühl, überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Für den Paddeleinstieg war der "kleine" Fyksesund deshalb genau richtig. Und weil es so warm war, suchten wir zwischendurch Abkühlung im Wasser. Mir erschien das Wasser sehr kalt und ich hielt mich zurück. Die drei Badewütigen waren jedoch stocksteif vor Kälte und mussten sich eine Weile in der Sonne aufwärmen.
Der Temperaturunterschied zwischen Luft und Wasser war enorm. Die Wasserfälle führten permanent eiskaltes Wasser aus den höheren und noch abschmelzenden Lagen zu. Wir glitten mit unseren Booten an den Felskanten vorbei und konnten in dem glasklaren Wasser die Seesterne sehen. In der Mittagspause versuchten wir ein wenig zu angeln. Das hatte natürlich nicht geklappt. Keiner von uns hatte wirklich Ahnung vom Angeln und mit unserem Blinker hätten wir einen Fisch eher "erschlagen" als geangelt. Der Blinker war groß und schwer und stammte noch aus unserer Seefahrerzeit und gehörte einstmals zur Notausrüstung eines Rettungsbootes. Die Fische hatten das Ding einfach nicht für voll genommen. :-)
Gegen 18 Uhr hatten wir den Blinker dann genug im Wasser gebadet und waren wieder am Camp. Das Gewässer hatten wir dabei einmal umrundet und dabei ca. 18 km zurückgelegt.
Mit dem Faltboot auf dem Fyksesund
Ulvik
Die Sonne weckte uns auch am nächsten Morgen. Nur ein paar Schäfchenwolken waren am Himmel zu sehen. Wir packten unsere "Siebensachen", verstauten alles wieder in den Autos und verabschiedeten uns vom gastfreundlichen Bauern. Uns zog es weiter in Richtung Ulvik. Gegen Mittag kamen wir dort an und fanden auch gleich einen offiziellen Zeltplatz. Wieder hieß es, Zelte und Boote aufzubauen. So ein Faltboot schafft man, mit etwas Übung, in einer guten halben Stunde aufzubauen. Die Voraussetzung ist, dass alle Teile vorhanden sind und auch passen. Wir hatten noch genug Zeit, um die Runde auf dem Ulvikfjord zu paddeln. Er ist kürzer, aber dafür etwas breiter als der Fyksesund. Die 11 km hatten wir in in gut 2,5 Stunden geschafft.
Den Abend vertrieben wir uns mit Canasta-Spielen. Wir spielten lange, denn durch die Helligkeit bemerkten wir nicht, dass es eigentlich schon Mitternacht war.
Von Osa nach Ulvik
Am nächsten Tag setzten wir die Boote in Osa ein. Von dort aus führte unsere Paddeltour den Osafjord hinunter in südliche Richtung zum Eidfjord und dann in nördliche Richtung den Ulvikfjord hinauf, bis zum Zeltplatz in Ulvik. Die Sonne schien und wir hatten eine Temperatur von 24°C. Unterwegs hatten wir wieder diesen großartigen Ausblick auf diese Landschaft, die Felsen und Wasserfälle und das klare Wasser. Mit knapp 14 km war diese Tour auch nicht sehr lang. Wir konnten uns reichlich Zeit lassen.
Am Abend, nach dem Trocknen in der Sonne, wurden die Boote wieder zusammengepackt und verstaut. Das war gut so, denn in der Nacht regnete es ordentlich.
Bauernhof Kjeasen in Eidfjord
Wir schliefen lange. Dicke Wolken empfingen uns. Unser "Norweger" Bjarne frohlockte. Endlich ein Norwegen, wie er es kannte.
Wir packten unsere Zelte wieder ein und setzten mit der Fähre über nach Eidfjord. Dort erkundigten wir uns nach ein paar Wanderwegen in der Gegend und in der nahegelegenen Hardangervidda. Man empfahl uns, zunächst einen Wanderweg vom Kraftwerk Sima, bis hoch zum Bauernhof Kjeasen zu nehmen. Gesagt, getan. Wir folgten den Schildern und dann der Kennzeichnung mit dem roten "T". Zunächst dachten wir uns nichts dabei, dass man ab und zu einmal kleine Wasserfallausläufer überwinden musste. Wir sprangen von Stein zu Stein. Dann ging es allerdings bald steiler den Berg hinauf. Manchmal benötigten wir "Allrad", also ging es auf Händen und Füßen nach oben. Dann kamen Seile und Steighilfen dazu. Für Norddeutsche schon sehr alpin, wie ich fand. Wenn man so nach unten schaute, war das auch schon ziemlich hoch. Nach der zwei Stunden dauernden Kraxelei kamen wir völlig verschwitzt oben an, wurden aber dafür mit einem tollen Ausblick belohnt. Fritz* hatte seine Sonnencreme dabei, die dann, wie wir leider feststellen mussten, nur den Rucksack von innen schützte. Die ganze "Suppe" war ausgelaufen.
Nach dem mühsamen Aufstieg beschlossen wir, den leichten Weg auf der Straße zurückzugehen. Auf der Karte erschien der Weg zwar länger, aber längst nicht so steil. Nach einer Weile standen wir vor einem Tunneleingang. Der war unbeleuchtet. Wir gingen ein Stück hinein und es wurde sehr schnell sehr dunkel. Der Erste rief "aua", als er mit dem Kopf gegen einen Felsen stieß. Allerdings nicht schlimm. Trotzdem: Wir konnten die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Bjarne holte seine Taschenlampe, eher eine kleine Funzel, aus dem Gepäck, aber auch sie schaffte es nicht, mehr als bis zu den Fußspitzen auszuleuchten. Ich legte mein Veto gegen den Weitermarsch ein, um noch einmal nachzusehen, wie lang der Tunnel tatsächlich ist. Wir studierten die Karte etwas genauer und stellten fest, dass die gesamte Straße mäanderförmig durch den Fels gebaut wurde. Da wären wir vermutlich zwei Stunden unterwegs gewesen und keiner wollte für die kleine Funzel eine Garantie übernehmen. Bjarne meinte noch, er hätte da so ein paar Schilder am Eingang gesehen. Vielleicht hätte man die mal lesen sollen, zumindest versuchen? Wir hakten uns unter, damit keiner verloren geht und kehrten um. So kamen wir auch aus dem Tunnel zurück ins Licht. Den Leuten, die uns da so herauskommen sahen, blieb der Mund offen stehen...
Wir studierten das Schild. Sinngemäß stand dort drauf, dass der Tunnel halbstündlich jeweils immer nur aus einer Richtung befahren werden könne. Wir hätten uns schon sehr sputen müssen, um das zu schaffen. Außerdem würde der Tunnel am Abend verschlossen. Mit einem Holztor. Wir hatten noch gut 20 Minuten. Ich malte mir das schon aus: Selbst wenn wir es irgendwie bis unten geschafft hätten, wären wir dann am anderen Tunnelende auf ein verschlossenes Tor gestoßen. Stockdunkel und ohne Verpflegung und kalt und feucht in der Nacht. Klingt nicht wirklich romantisch.
Also kraxelten wir den gleichen Weg, wie wir ihn gekommen waren, wieder hinunter. Das klappte, zumindest gefühlt, schneller. Nun mussten wir nur noch einen Zeltplatz für die Nacht finden. Das gelang uns, direkt in Eidfjord.
Bootseinsatz und Klettertour zum Kjearsen
Hardangervidda
Die Sonne weckte uns. Nach dem Frühstück machten wir uns mit dem Auto auf den Weg in Richtung Hjölmodalen, eine Serpentinenstraße auf 900 m hinauf, bis zum kostenfreien Parkplatz. Dort stellten wir unsere Autos ab und machten uns wanderfertig. Die Hardangervidda ist ein tolles Wandergebiet, allerdings war es für norwegische Verhältnisse noch sehr früh im Jahr und das bedeutete, dass noch erhebliche Schneemengen zu sehen waren. Der Wanderweg führte uns noch etwas weiter hinauf. Bald waren nur noch Sträucher und kleine Bodendecker zu sehen. Vorsichtig hüpften wir von Stein zu Stein, um nicht gleich zu Beginn der Wanderung nasse Füße zu bekommen. Es dauerte jedoch nicht lange und wir stapften durch tiefen Schnee und Matsch. Wir waren schon froh, wenn wir nicht bis zum Knie im Schnee steckten. Auch die Wegekennzeichnungen wurden teilweise von den noch vorhandenen Schneemassen verdeckt. Wir vertrauten unserer Karte und unserem Glück. Bjarne hatte sogar kurze Hosen an, weil er nicht mit solchen Schneemengen gerechnet hatte. Das war ein lustiges Bild: In kurzen Hosen im Schnee! Lektion: Die Startsaison für Wanderungen in der Hardangervidda beginnt eigentlich erst im Juli.
Der Himmel zog sich wieder zu und um uns herum sahen wir die Wolken ihre Regenladungen ablassen. Wir hatten Glück und wurden nur von unten nass. Das genügte allerdings auch. Wir waren nach dem 20-km-Rundkurs schon fast wieder am Auto, da sahen wir drei Rentierkadaver. Die oberste Schneeschicht war gerade frei getaut. Rundherum waren sämtliche Bäume abgeknickt. Also wurden die Tiere vermutlich von einer Lawine erwischt und hatten keine Chance.
Nach dieser Schneetour mussten natürlich sämtliche Sachen getrocknet werden. Das war nicht so einfach, da die Sonne nicht mehr so ganz mitspielte.
Hardangervidda im Juni
Totak
Wir wurden vom Regen geweckt und entschieden uns, dem schlechten Wetter davon zu fahren. So packten wir alles ein und nahmen Kurs auf den Totaksee, ein Bergsee in 687 m Höhe über dem Meeresspiegel. Zu unserer Begrüßung schien auch wieder die Sonne. Allerdings entpuppte sich die Zeltplatzsuche als schwierig. Der einzige offizielle Platz war viel zu weit vom Wasser weg und dazu noch überfüllt. Letztlich übernachteten wir auf einem Wintercampingplatz, als einzige Gäste, direkt am See. Allerdings frischte der Wind ordentlich auf.
Der kühle Wind blieb uns auch am nächsten Morgen erhalten. Dafür hatten wir blauen Himmel. Nach einem guten Frühstück, der Suche nach einer geeigneten Einsatzstelle für die Boote und dem Umsetzen der Autos, waren wir dann gegen Mittag im Wasser. Und das Wasser war kalt! Wir paddelten mit dem Wind, der auch für die recht hohen Wellen sorgte. Wir mussten konzentriert auf den Wellen surfen. Der See hat eine Länge von etwa 25 km und ist an der dicksten Stelle immerhin 5 km breit. 20 km war unsere vorgesehene Paddelstrecke lang. Wir waren völlig alleine unterwegs, weit und breit war kein Mensch zu sehen. Nicht einmal ein Angler.
Wenn man so mit dem Faltboot unterwegs ist, schafft man üblicherweise so um die 5 km pro Stunde. Mal etwas mehr, mal etwas weniger, auch abhängig vom Gewässer. Wir richteten uns also auf eine Tagestour ein und staunten nicht schlecht, als wir nach etwa 2,5 Stunden schon die Autos sahen. Der Wind hatte uns ordentlich Antrieb gegeben und wir hatten dabei wieder unsere behelfsmäßigen Segel, wie Regenschirm und Liegematte, im Einsatz.
Totak
Byglandsfjord, Camp Reiarsfossen, Sandnesfjord
Dadurch hatten wir genügend Zeit, all unsere Sachen wieder zu verpacken und in Richtung Byglandsfjord zu fahren. Auf dem Zeltplatz Reiarsfossen fanden wir einen schönen Stellplatz unter Bäumen. Ganz in der Nähe rauschte der gleichnamige Wasserfall.
Am nächsten Tag wollten wir mit Gepäck zu einer 2-Tages-Tour aufbrechen. Der Plan sah vor, den Byglands- und Sandnesfjord in nördliche Richtung, zum Zeltplatz zurück, zu paddeln. Beide Fjorde gehen ineinander über. Nachdem die Zelte abgebaut, die Autos umgesetzt und die Boote repariert waren, konnten wir endlich am Nachmittag gegen 15.30 Uhr ablegen. Eigentlich viel zu spät. Aber na ja, wir würden schon einen Platz für die Übernachtung finden, so der Gedanke
Unterwegs hatten wir das Gefühl, wieder ziemlich zügig voranzukommen, denn wir hatten kräftige Rückenwindunterstützung. Unsere Iso-Matte nahmen wir wieder als Segel. Allerdings hatte meine Frau vorne im Boot das Problem, die Matte immer um die Ohren zu bekommen, wenn der Wind doch mal kurz nachließ oder eine Böe aus einer anderen Richtung kam. Das fand sie nicht besonders lustig.
Die Landzungen sahen vom Wasser alle ziemlich gleich aus. So ganz genau wussten wir nicht, wo wir uns befanden. Eine passende Übernachtungsstelle zu finden, erwies sich auch als komplizierter als gedacht. Also paddelten wir eine ganze Weile und hielten unser einziges Mädel in der Runde bei Laune... "Dort an der nächsten Ecke sind wir bestimmt schon da. Glauben wir."
Es dauerte dann doch etwa fünf Stunden. Für gut 30 km. Im beladenen Faltboot. Das ist eine gute Zeit. Und es war immer lange hell. Also eigentlich kein Problem.
An diesem Abend sorgten die Männer alleine für das Essen. ;-)
Preikestolen
Die Regenwolken entdeckten uns wieder. Wir entkamen in Richtung Preikestolen, 280 km entfernt. Ca. 6 km vom Preikestolen entfernt gab es einen sehr schönen und neuen Zeltplatz. Der war wie gemacht für uns, mit heißem Wasser ohne Extrakosten. Wir planten, für die nächsten zwei Tage auf jeden Fall dort zu bleiben.
Nach einem ausgiebigen Frühstück starteten wir zu Fuß zum Preikestolen. Die Sonne schien. Wir wanderten, gemeinsam mit einer ganzen Traube von Touristen, den Weg entlang nach oben. Dieser war zwar gut ausgebaut, aber mit Stöckelschuhen oder Jesuslatschen? Das gab es wirklich und haben wir tatsächlich gesehen. Eigentlich sind sogar Jeans oder Sportschuhe eher nicht für die norwegischen Berge geeignet. Allerdings hatten auch wir nur Jeans und Sportschuhe an...
Insbesondere zum Ende hin wurde der Anstieg etwas mühsamer. Man sollte auf jeden Fall gut zu Fuß sein. Nach gut zwei Stunden waren wir oben. Die steilen Felswände führten senkrecht nach unten. Die Sonne schien auf den Lysefjord und gab ihm eine unglaubliche Farbe. Sensationell.
Meine drei Mitstreiter brauchten nun auch noch den letzten Nervenkitzel und ließen die Füße vom Rand des Preikestolen baumeln. Dort ging es 600 m in die Tiefe. Ich machte lieber die Fotos. Kleiner Zeitsprung: Im Film Mission Impossible - Fallout, der 2018 erschien, ist der Preikestolen in einer Szene zu sehen. Zeitsprung Ende.
Am Himmel zogen sich langsam wieder die Wolken zusammen und so begannen wir unseren Rückmarsch. Pünktlich zum Kaffee waren wir wieder im Camp.
Den Rest des Nachmittags nutzten wir, um uns in Solbakk noch ein paar alte Felszeichnungen anzusehen. Diese Ritzungen sind um die Bronze- und Eisenzeit datiert worden und stellen Schiffsmotive dar. Das erinnerte uns ein wenig an die Felsmalereien in Frankreich. Aber das ist eine andere Geschichte.
Der Preikestolen und Lysefjord. Hier geht es 600 m in die Tiefe
Felszeichnungen in Solbakk
Und weiter ging unsere Tour, bis in die Nähe von Sand. Dort suchten wir nach einem geeigneten Platz für unser kleines Camp. Nach einer Weile fanden wir in einem winzig kleinen Ort, mit genau einer Hütte, einen Stellplatz direkt am Wasser. Wir bauten wieder unsere Boote auf und genossen den Rest des Abends.
Auf der Suche nach der Brent Spar
In der Nacht regnete es. Auch am Morgen sah das Wetter nicht so gut aus. Wir paddelten trotzdem los. Der Wind kam diesmal schräg von vorne und die Boote schaukelten in den Wellen. Das wurde mir langsam etwas zu riskant, da das Wasser bereits über den Süllrand und das Spritzdeck lief. Die Ufer waren steil. Falls man kenterte, kam man so schnell nicht aus dem Wasser. Ich entschied, umzudrehen. Die beiden Männer des zweiten Bootes wollten das nicht. Sie bestanden darauf weiter zu paddeln, in Richtung Brent Spar, die dort im Erfjord eine Weile "geparkt" wurde. Ich fand das unvernünftig. Einstmals war die Brent Spar ein schwimmendes Öllager im Atlantik, in dem Rohöl zwischengelagert und dann von Schiffen abtransportiert wurde.
Zeitsprung: 1995 sollte die Brent Spar nach der Außerdienststellung versenkt werden. Das passierte nicht, weil verschiedene Umweltorganisationen und die Öffentlichkeit das verhinderten. Sie wurde dann im Juli 1995 in den Erfjord geschleppt. Etwa drei Jahre später begann die Demontage. Einige Teile der Brent Spar wurden gereinigt und für ein Kai-Fundament in Mekjarvik verwendet. Zeitsprung Ende.
Brent Spar im Erfjord
Am Abend, als sich der Wind legte, sind wir ein weiteres Mal hinausgefahren. Nun sollte es doch wenigstens einmal mit der Angelei klappen. Aber wieder nichts. Naja, gab es halt Nudeln.
Es regnete die ganze Nacht. Wir krochen aus dem Zelt und uns empfing ein grauer Himmel. Ich stellte fest, dass die Steine ziemlich rutschig waren und man vorsichtig treten musste, um nicht auszurutschen. Meine Erkenntnisse gab ich weiter. Die Antwort von Fritz lautete "ja, ja." Noch im selben Moment wirbelte er einmal durch die Luft. Als gelernter Judoka fing er sich sauber im Matsch ab und blieb unverletzt. Auch Bjarne beachtete meine Warnung nicht. Er bewegte sich in Richtung Wasser und dann machte es platsch. Als wir zur Felskante kamen, sahen wir ihn gerade wieder ans Ufer schwimmen und sich hinaufziehen. Als wir bemerkten, dass alles o.k. war, wich der Schreck dem schallenden Gelächter. Bjarne, ganz cool, zog seine Sachen aus, wrang sie einmal aus und zog sie wieder an. Dann stieg er ins Boot.
Trotz des Regens paddelten wir auf dem schönen Ökstrafjorden drei Stunden. Irgendwie ähnelte er mehr einem Fluss.
Maurangerfjord
Nachmittags packten wir unsere Sachen und fuhren mit dem Auto in Richtung Maurangerfjord. Etwas abseits der Hauptroute fanden wir einen netten Zeltplatz in Sunndal/Bondhus, ganz in der Nähe eines Gletschers. Nach dem üblichen Zelt- und Bootsaufbau feierten wir in Fritzs Geburtstag hinein und fielen erst um 1.30 Uhr in die Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen war nichts von Sonne zu sehen und das, obwohl an diesem Tag Mittsommernacht gefeiert wurde. Auf dem Zeltplatz herrschte reger Vorbereitungsbetrieb für die Party am Abend, trotz des Regens. Ich wollte nicht eher aufstehen, bis der Regen vorbei war. Meine Frau "putschte". Die Plane wurde aufgebaut und bald waren wir alle aus den Zelten gekrochen und frühstückten unter der Regenplane.
Als es etwas aufklarte, drehten wir eine kleine Runde auf dem Maurangerfjord. Die Wolken versuchten, über die Felsen hinwegzukommen. Das gelang ihnen nur, wenn sie ihre ganze Wasserladung vorher auskippten. Also gab es wieder Regen. Zum Glück nicht bei uns. Wir hatten über uns unseren eigenen blauen Himmel.
Am Abend feierten wir Geburtstag und Mittsommernacht gleichzeitig und vor allem auch sehr lange in die Nacht hinein.
Bondhusbrea
Wieder hingen dicke Wolken am Himmel. Nicht einmal den Gletscher konnte man sehen. Trotzdem wollten wir vor unserer Weiterfahrt dort hinauf. Wir packten also wieder alles zusammen und fuhren bis zum Parkplatz. Von dort ging ein 1,5-stündiger Wanderpfad, ca. 5,6 km, am Gletschersee Bondhusvatnet vorbei und hinauf bis zur großen Wiese, direkt unterhalb der Gletscherzunge Bondhusbrea. Unterwegs begegneten wir einer Kuhherde, die uns auf dem recht schmalen Weg entgegenkam. Die waren so schnell bergab unterwegs und konnten kaum bremsen, dass wir sicherheitshalber weit an die Seite gingen.
Unterhalb des Gletschers angekommen, stürmte Fritz vorwärts, um noch dichter an das Eisgebilde heranzukommen. Wir stapften hinterher. Dies war nun kein offizieller Wanderweg mehr. Das Geröll war rutschig und ich hatte keinen guten Halt in den Schuhen. Wir trennten uns also. Die Drei mit den besseren Schuhen gingen noch weiter und ich ging wieder hinunter zur Wiese und wartete dort, wie abgemacht. Lektion: In Norwegen benötigt man gute Wanderschuhe.
Ich wartete. Und wartete. Und wartete. Niesel setzte wieder ein und ich wartete. Langsam kam Panik auf, weil ich nicht wusste, was mit der Gruppe geschehen ist. Ich stand zwischen der Entscheidung, doch irgendwie hinterher zu klettern oder Hilfe aus dem Ort zu holen. Ich gab mir weitere zehn Minuten Wartezeit. Und dann noch einmal weitere fünf Minuten. Und dann sah ich Fritz auf mich zu gerannt kommen. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Aber warum kam er aus der entgegengesetzten Richtung!? Der Fall klärte sich schnell: Meine Mitstreiter dachten, ich wäre schon zum Parkplatz zurückgegangen. Meine Frau hatte zwar noch Einspruch erhoben, weil sie ganz korrekt meinte, dass ich niemals vorlaufen würde, aber sie ließ sich dann doch überreden. Die Drei hatten es seitlich bis an den Gletscher herangeschafft. Allerdings sind sie dann einen besseren, weniger rutschigen Weg durch ein Wäldchen, zurückgegangen und somit an mir vorbei.
Und so musste Fritz das ganze Ende noch einmal zu mir und mit mir dann gemeinsam im Laufschritt wieder zurück. Wir wollten noch unsere Fähre erwischen. Da schafften wir auch. Es blieb sogar noch etwas Zeit, die nassen Sachen so lange über den Autotüren zu trocknen, bis die Fähre kam.
Bondhusbrea Gletscherzunge
Zum Abschied Gnitzen
Ca. 40 km vor Bergen suchten wir uns einen Übernachtungsplatz. Eine freundliche Frau stellte uns einen Teil ihrer Wiese zur Verfügung. Ihr Grundstück lag hoch über dem Samnangerfjord und dadurch hatten wir wieder eine sensationelle Aussicht. Wir werteten den Tag aus. Lektion: Wir kehren immer zum vereinbarten Treffpunkt zurück!
Tausende von Gnitzen wollten nicht, dass wir den letzten Abend vor dem Zelt verbringen. Die kleinen Blutsauger waren wirklich unangenehm. Daher verkrümelten wir uns bald in das Zelt, um nicht vollends "aufgefressen" zu werden. Selbst unser Antimückenspray half nicht.
Fahrlässig. Unerfahren. Sensationell. Lustig. Sonnig. Atemberaubend. Nass.
Trotzdem überlebt :-)
So könnte man diese Tour zusammenfassen. Die raue und atemberaubende Natur Norwegens hatte uns beeindruckt und verblüfft zugleich. Viele Dinge, die in Deutschland undenkbar wären, überraschten uns unvorbereitet. Als Beispiel möchte ich hier einige Wanderwege anführen, die bei weitem nicht so abgesichert waren und sind, wie in Deutschland, wo ohne ein genormtes Geländer nichts geht ... Das bedeutet allerdings auch, dass man sich gut vorbereiten sollte. Eine gute Ausrüstung sorgt für die notwendige Sicherheit. Trittfeste Schuhe gehören auf jeden Fall dazu. Auch eine gute Grundkondition ist sicherlich sehr hilfreich, denn auf den norwegischen Wanderpfaden können schnell einige Kilometer zusammen kommen. Wir legten während der Tour auch etwa 120 km auf dem Wasser, mit eigener Muskelkraft zurück.
*Namen geändert
Helferlein zur Reisevorbereitung
Inzwischen gibt es ausreichend Literatur und Reiseführer zu den vielen Aktivitäten, die man in Norwegen unternehmen kann.
Hier ein paar Vorschläge
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Reiseführer für Norwegen