Im Kanu-Magazin fanden wir den entscheidenden Tipp für das Reiseziel, des wieder herauszufindenden Jahres. Meine Frau war sofort begeistert, denn sie hatte viele Kindheitserinnerungen an ihre Paddelurlaube mit der Familie, in der damaligen ČSSR. Besonders eine Tour hatte sie noch in guter Erinnerung: Wanderpaddeln mit dem Faltboot auf der Lužnice und Moldau. Das hörte sich doch gut an. Unser Freund Fritz* bekam auch Urlaub und so starteten wir Mitte Juni zu dritt in Richtung Suchdol nad Lužnicí, in Südböhmen, Tschechien. Der Anfahrweg war recht weit und um den Verkehrsstau am Tage zu meiden, starteten wir bereits in der Nacht. Schon um 6.00 Uhr waren wir an der tschechischen Grenze. Dort tauschten wir, damals noch, DM in Tschechische Kronen. Der Liter Diesel kostete noch so um die 1,15 DM. Ein Jahr später wurde der Euro als Buchgeld eingeführt und vier Jahre später bekamen wir ihn als Bargeld. Nun dürfte das Jahr unserer Tour ziemlich klar sein oder? Falls nicht, noch ein letzter Hinweis: Im selben Jahr gewannen die Franzosen im eigenen Land die Fußballweltmeisterschaft.
*Namen geändert


Suchdol nad Lužnicí

Nach der langen Fahrt waren wir ziemlich müde und mussten uns etwas quälen, die Boote auch noch aufzubauen. Unser Campingplatz Tábořiště Sokol Suchdol lag unmittelbar am Wasser und wir durften am Abend auch ein Lagerfeuer machen. Das half gegen die Mücken und die kühle Brise.

Wir wurden von der Sonne geweckt. Nur ein paar Wölkchen waren am Himmel zu sehen. Goldammer schwirrten überall durch die Luft.
Dieser Tag stand ganz im Zeichen der Ortserkundung und Organisation von Kartenmaterial und Wörterbuch. Das klingt "oldschool"? Ja, ist es auch. Wir hatten keine der heutigen Wunder-Apps zur Verfügung und schlugen uns noch mit Papierkarten durch die Wildnis. Für den Wassersport gab es etwas spritzfestere Exemplare. Zur Not laminierte man sich die Seiten auch selbst ein. Erfahrungsgemäß gab es jedoch die besten und aktuellsten Gewässerkarten immer direkt vor Ort.
Eines unserer Autos fuhren wir bis zum Campingplatz in das gut 50 km entfernte Soběslav, eines unserer Etappen-Zwischenziele. Wir nahmen allerdings die Route über Jindřichův Hradec. Dort bekamen wir das gesuchte notwendige Kartenmaterial. Außerdem gab es dort das Schloss Jindřichův Hradec. Als wir dort auftauchten, standen wir vor verschlossenen Türen. Montags geschlossen. Schade. Wir schauten uns das Schloss von außen an und speisten in der kleinen Stadt dann wenigstens ordentlich zu Mittag.

Um 7.30 Uhr wurden wir von der wärmenden Sonne auf unserem Zelt geweckt. Fritz kam müde aus dem Zelt. Er hatte die halbe Nacht mit den Mäusen gekämpft, die unter seinem Zelt ihre Gänge hatten. Vermutlich hatten sie ihn absichtlich immer mit ihren kleinen Nasen angestupst ... 😉
Nach dem Frühstück packten wir unser kleines Camp zusammen und sortierten die Sachen, die mit ins Boot mussten. Alle überflüssigen Dinge blieben im Auto. Trotzdem waren das immer noch allerhand Utensilien, die im Boot untergebracht werden mussten. Wir, in unserem Poucher RZ85-Zweier, hatten dabei noch deutlich mehr Stauraum als Fritz in seinem Einer. Als wir unsere Boote umdrehten, um sie zum Flussufer zu tragen, stob ein ganze "Mäusehorde" in alle Richtungen. Sie hatten es sich unter den Booten schon gemütlich eingerichtet.
Drei Stunden später waren wir dann endlich so weit. Das Gepäck war verstaut und wir legten ab. Die Strömung der Lužnice war ordentlich, eine leichte Brise wehte und die Sonne schien. Was will man mehr?

 


Reiseroute in Tschechien: Animation Thorsten Klook

 

Camp Mláka

Die erste Etappe auf der stark mäandernden Lužnice führte uns über etwa 27 Paddelkilometer bis Mláka. Zu Beginn unserer Fahrt sah das Wasser braun und schlammig aus. Der Fluss war schmal und urwüchsig. Schon nach kurzer Fahrt lag ein Baum quer im Wasser, unmittelbar hinter einer Kurve. Die Reaktionszeit war kurz. Zum Glück war die Strömung nicht zu stark. Mit kräftigen und gezielten Paddelschlägen schafften wir es, um den Baum herumzukommen. Manche mögen dazu auch heftiges Gequirle sagen 😂. Kurz danach lag bereits der nächste Baum im Wasser und hinderte uns an der Weiterfahrt. Es half nichts. Wir mussten die Boote herüberheben. Als Erster wuchtete Fritz sein Boot über den Baumstamm. Wir konnten nicht mit ran, denn dafür war zu wenig Platz. Es musste ihm irgendwie alleine gelingen. Fritz schaffte es, ohne ins Wasser zu fallen und dann waren wir dran. Langsam schlängelten wir uns bis zum Hindernis. Nun kletterte meine Frau auf den Baumstamm, danach ich. Auch wir mühten uns mit dem vollgepackten Boot. Dabei machten wir uns Sorgen um die Bootshaut. Sollte sie Schaden nehmen, wäre das sehr ungünstig.
Als das Boot, ohne Schrammen zu bekommen, auf der anderen Seite des Baumes wieder schwamm, waren wir heilfroh. Der Fluss schlängelte sich weiter durch den grünen Tunnel aus Bäumen und Sträuchern. Nach etwa 8 km kam das erste Wehr. Unbefahrbar. Also landeten wir an, nahmen einen Großteil des Gepäcks heraus und trugen anschließend Boote und Gepäck um das Wehr herum. Das war zwar nur ein kurzes Stück, dauerte aber auch eine Weile. Wir nutzen diese Aktion gleich für eine Rast. Das Wetter wurde wechselhafter. Wärmende Sonnenstrahlen und kurze heftige Regenschauer und sogar Hagel wechselten sich ab. Das war eher typisches Aprilwetter.
Die nächsten, auf der Karte eingezeichneten, Wehre hatten wir auf dem Wasser nicht bemerkt. Wir konnten sie problemlos befahren. Aber Achtung! So ein Fluss ändert sich permanent. Je nach Wasserstand kann das sehr unterschiedlich sein. Nach etwa 16 km fuhren wir rechts ab in die Nová řeka. Der Fluss ist ziemlich begradigt und die Strömung wurde geringer. Am späten Nachmittag kamen wir in Mláka an. Uns empfing eine große grüne Wiese und irgendwoher organisierte Fritz, nach dem Aufbau des Camps, ein schönes, kühles tschechisches Bier.

Veselí nad Lužnicí

Die nächste Etappe führte uns über ca.28 km bis nach Veselí nad Lužnicí. In unmittelbarer Zeltplatznähe in Mláka hatten wir ein unbefahrbares Wehr. Die Umtragestelle war auf der anderen Fluss-Seite. Also packten wir alles erst einmal provisorisch ein, setzten über, packten alles wieder aus und trugen die Boote und das Gepäck um das Wehr herum. Dabei waren wir nicht alleine. Ein ganze "Horde" noch sehr junger Kanuten, vermutlich eine Schulklasse auf Klassenfahrt, hatte die gleiche Idee. Sie waren zwar ordentlich laut, aber hilfsbereit! Erst um 11.00 Uhr waren wir dann so richtig fertig zur Abfahrt. Vier Kilometer später mündete die Nová řeka in die Nežárka, ein Nebenfluss der Lužnice. Kurze Zeit später machte Petrus alle Schleusen auf. Fritz hatte sein Spritzverdeck nicht aufgezogen und so lief das Boot ruck zuck voll. Wir machten Rast, um das Boot zu leeren und das Verdeck aufzuziehen. Alles bei schönstem Regen, nur ein wenig von den Bäumen geschützt. Wir froren. Fritz zückte seinen Tee mit etwas Rum. Derweil zog er sich trockene Sachen an und bald waren wir wieder startbereit. Nach etlichen Wehren, die wir umtragen mussten, kamen wir in Veselí an. Die Sonne schien wieder, als wäre nichts gewesen. Meine Frau marschierte zum Platzwart, bezahlte und organisierte uns eine warme Dusche. Ein alter Badewannenofen wurde mit Holz angeheizt und wir konnten uns endlich aufwärmen und säubern.
Den trockenen Abend verbrachten wir am Lagerfeuer und spielten Karten.

Auf der Lužnice - Wehr Pilař
Auf der Lužnice - Wehr Pilař
Schmaler Fluss
Schmaler Fluss
Campingplatz
Campingplatz
Unterwegs
Unterwegs
Altes Telefonhäuschen
Altes Telefonhäuschen
 
Mit dem Faltboot auf Lužnice, Moldau und ein Stück Otava; alle Fotos entstanden noch mit einer Spiegelreflexkamera und die Dias wurden mehrfach digitalisiert

Soběslav

Als wir morgens aufwachten, regnete es bereits wieder. Fritz klapperte schon mit dem Geschirr. Wir wollten bei Regen nicht raus. Es half nichts. Wir spannten unsere Regenplane auf und frühstückten. In einer Regenpause packten wir unsere Sachen zusammen. Kaum waren wir auf dem Wasser, frischte der Wind auf und die Wolken wurden auseinander gerissen. Kurz hinter dem Campingplatz paddelten wir wieder in die von links kommende Lužnice. Am ersten Wehr, nach etwa 5 km, schien schon wieder die Sonne. 2,5 km später folgte ein nächstes Wehr. Unsere Tagesetappe war kurz. Sie führte nur über 12 km bis kurz hinter Soběslav. Dort hatten wir ja das zweite Auto geparkt. So genossen wir diese kurze Etappe ohne Zeitdruck.
Nach dem obligatorischen Zeltaufbau beschlossen wir, nach Tábor zu fahren, um uns das Schloss anzuschauen. Jedenfalls war es so in der Karte eingezeichnet. Wir fanden es im Stadteil Měšice. Aber es war eher enttäuschend, eine Ruine. (Das kann sich natürlich inzwischen schon längst geändert haben!)
So fuhren wir weiter nach Třeboň, um doch noch ein Schloss besichtigen zu können. Dieses Schloss war in sehr gutem Zustand, mitten in der Stadt. Es gehörte zu den Kulturdenkmälern Tschechiens. Nur leider war es schon geschlossen. Wir waren zu spät.😒

Schloss Třeboň (Wittingau)

Aber so schnell gaben wir nicht auf. Ein neuer Versuch wurde am nächsten Tag gestartet. Das verbanden wir auch gleich mit dem Umsetzen der Autos. Wir fuhren noch einmal zum Schloss Třeboň, bei strahlendem Sonnenschein. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, um auch die letzte Führung vor der Mittagspause zu verpassen. So verbrachten wir in der Zwischenzeit 1,5 Stunden in der Stadt und erledigten diverse Einkäufe.
Und dann hatten wir endlich Glück und bekamen sogar eine deutschsprachige Führung, gemeinsam mit einer Reisegruppe Österreicher. Dieses Schloss diente nicht als Regierungssitz, sondern war ein Privatschloss der Adelsfamilie Rosenberg. Dieses Renaissancebauwerk wurde im 16. Jahrhundert erbaut und hatte eine schöne Innenausstattung und sehenswerte Ausstellung.
Die Altstadt von Třeboň war auch recht hübsch, klein aber fein.
Anschließend fuhren wir nach Bechyně, wo unser Auto am Campingplatz abgestellt wurde. Eigentlich war es eher ein Autocamping mit Bungalows. An der Rezeption ging alles noch seinen geordneten "sozialistischen Gang". Schließlich konnten wir den Wagen an einem Bungalow gleich gegenüber der Küche abstellen. Dort war er immer im Blick der Köche. So konnten wir beruhigt mit Fritz´ Auto nach Soběslav zurückfahren.

Sezimovo Ústí

Unsere nächste Etappe führte uns etwa 21 km bis Tábor. So war jedenfalls der Plan. Die Sonne schien und die Stimmung war gut. Gegen 10.30 Uhr hatten wir alles verpackt und waren auf dem Wasser. Wieder mussten wir 5 Wehre umtragen. Am Nachmittag verschwanden die letzten Blumenkohlwolken und es wurde richtig heiß. Das Umtragen der Wehre machte da keinen Spaß mehr. Der Fluss wurde langsam breiter und die Ufer wurden von Ferienhäusern gesäumt. In unserer Wasserwanderkarte war ein Zeltplatz kurz vor Tábor eingezeichnet. Als wir dort ankamen, war aber weit und breit nichts zu sehen. Also drehten wir wieder um und paddelten 2 km zurück bis Sezimovo Ústí, ein winziges Plätzchen, aber sehr sauber.
Kurz nach uns kam noch ein Großvater mit seinen Enkeln im Kanu an. Er zeigt seinen beiden Zuschauern, wie man in der Wildnis mit einfachsten Mitteln auskommen kann. Das Zelt wurde selbst gebaut und die Häringe für das Zelt wurden aus Holz geschnitzt. Mit einem richtigen Messer! Diese Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, denn inzwischen diskutiert man über Messerverbote. Diese Diskussionen laufen aus meiner Sicht völlig am Thema vorbei, denn das Messer kann nichts für die Dinge, die man mit ihm macht. Dafür verantwortlich ist und bleibt immer der Mensch, der das Messer führt. Unsere DSR-Schiffsköche konnten sogar ihr eigenes Kochbesteck im Flugzeug mitführen. Warum wohl? Das ist lange her und ich schweife von der eigentlichen Geschichte ab.
Wir fanden die Fähigkeiten des alten Herren jedenfalls beeindruckend, und seine zwei Enkel hatten spielend etwas dabei gelernt. Wir aber auch!

Tábor

Lange hatten wir mit uns gerungen, ob wir die Fahrt durch Tábor hindurch fortsetzen. Das Bauchgefühl sagte die ganze Zeit: "Lasst es!" Auch die Wasserwanderkarte sagte uns, dass uns 9 Wehre erwarten würden. Mein Vorschlag, die Boote und das Gepäck einfach hinter Tábor wieder einzusetzen, wurde von Fritz zwar wahrgenommen, aber innerlich abgelehnt. Da kam sein Sportsgeist durch. Aber wer will schon vernünftig sein? Vernünftig ist langweilig! Oder? Ich weiß, nicht, was mich geritten hatte, einzulenken und mitzumachen. Also ging sie los, die unvergessliche Etappe durch Tábor bis nach Lužničanka.

Wir sind extra früh aufgestanden, obwohl es "nur" 18 km Strecke waren. Bereits um 9.00 Uhr waren wir auf dem Wasser. Die Sonne schien, es war so richtiges Sommerwetter. Das erste Wehr Přibík kam nach etwa 2 km. 700 m danach folgte das zweite Wehr Suchomel. 750 m später das dritte Wehr Veselý. Weitere 650 m später das vierte Wehr Pokorný. Für die ersten vier Wehre benötigten wir gut 3,5 Stunden und es lief ganz gut. Auspacken. Umtragen. Einpacken. Paddeln. Auspacken. Umtragen... Man fand so seinen Rhythmus. Allerdings wurden die Ein- und Ausstiege immer komplizierter. Zu Beginn waren sie noch recht ordentlich und auch für Paddler geeignet. Das änderte sich. War vermutlich auch nicht nötig, Wer paddelt schon diese Strecke, mit Faltboot und Gepäck?
Vor allem die Einstiege wurden abenteuerlich. Man kletterte mit Boot und Gepäck über kleine Felsen. Die geeigneten Einstiegsstellen wurden auch deutlich weniger. Man musste nehmen was man bekam. Nach dem Wehr Nr. 6 Benešův mlýn war ich gerade hocherfreut, wieder im Boot zu sitzen und nahm Kurs dorthin, wo die Strömung uns auch hinführte. Dabei übersah ich einen Stein. Es war eher ein Felsen. Den konnte man eigentlich nicht übersehen. Groß und mächtig lag er im Wasser. Als ich ihn dann endlich wahr nahm, war es zu spät. Die Strömung drückte uns dagegen und legte das Boot quer davor. Eine brenzlige Situation. Das Holz knackte bereits. Das Wasser drückte mit aller Macht auf und in das Boot. Das dauerte nur Sekunden. Wir sprangen heraus. Fritz legte an einer geschützten Stelle an. Gemeinsam versuchten wir, das Boot vom Stein wegzuziehen. Das gelang uns nicht. Die Strömung war zu stark. Dann kam unsere Rettung, in Form des Großvaters vom Vorabend! Er legte sich mit seinem Kanu so geschickt in die Strömung, dass wir deutlich weniger Druck auf dem Boot hatten. Es gelang uns, unseren Zweier wegzuziehen, umzudrehen und an das Flussufer zu schaffen. Als wir das alles vollbracht hatten, suchte ich unseren Retter. Aber er war schon weiter gefahren. So konnte ich mich nicht einmal bedanken. Hiermit hole ich das offiziell nach! 
Nun kam die Bestandsaufnahme meines Fahrfehlers: Zwei Spanten waren gebrochen und die Leiter angeknackst. Wenn man sich mit den Fachbegriffen eines Faltbootes nicht auskennt, ist das nicht schlimm. Man muss nur wissen, dass wir darüber nicht erfreut waren. Gelinde gesagt. Meine Flüche will man hier lieber nicht lesen.
Mit unserem Gummi-Eimer wurde das Wasser aus dem Boot geschöpft, der Rest dann ausgekippt. Die Sachen schwammen alle noch im Boot. Wir hatten alles in "wasserdichte" Säcke verpackt. Aber so einem Druck halten die auch nicht stand. Die Spiegelreflexkamera sagte kein Piep mehr. Ich war so richtig gefrustet, vor allem auf mich selbst. Was nun machen? Die Autos holen? Oder geht es doch irgendwie weiter?

Wir diskutierten die Varianten durch und entschieden uns, das Boot zu flicken. Wir hatten Panzerband und andere Flicksachen dabei. Die Bootshaut war zum Glück nicht beschädigt. Wir suchten passende Stöcker aus der Umgebung und reparierten die Spanten notdürftig. Ebenso stabilisierten wir die Holzleiter. Das Boot wurde wieder zusammen gebaut und das Gepäck hineingepackt. Schwimmprobe. Das Boot war etwas instabiler als vorher und auch die Form sah auf der einen Seite etwas ungewöhnlich aus. Aber es hielt. Im Wasser machte sich das kaum bemerkbar. Beim Umtragen allerdings schon. Wir nahmen immer alle Sachen heraus. Und so dauerte die ganze Prozedur noch länger. Und es kamen ja noch einige knifflige Stellen. Aber wir passten auf und blieben "hellwach", damit uns so etwas nicht noch einmal passierte. Nach Benešův mlýn kam knapp 2 km später Kvěchův mlýn Nummer 7. Wieder 1,5 km paddelten wir bis zur Nummer 8 Matoušovský mlýn. Weitere 6 km bis zur Nummer 9 Bejšovcův mlýn. 
Wir schafften es bis Lužničanka, kurz vor dem Wehr Suchomel. Wir waren völlig kaputt aber glücklich. So muss es Extremsportlern gehen, wenn dann der Adrenalinkick einsetzt. Wer ist noch so verrückt gewesen, mit Gepäck und Faltboot 9 Wehre am Stück zu fahren? Hand hoch?😂

Eine halbe Stunde nach unserer Ankunft stießen meine Schwiegereltern zu unserer Paddelgruppe dazu. An diesem Abend gab es viel zu erzählen und auszuwerten und natürlich gab es ein gutes tschechisches Bier auf den Schreck.

Židova strouha

Mit drei, allerdings leeren, Booten paddelten wir unserem nächsten Etappenziel in Židova strouha entgegen. Wir starteten allerdings erst gegen Mittag. Die 15 km mit drei Wehren sollten kein Problem mehr sein. Die leeren Boote machten sich deutlich bemerkbar. Das Umtragen der Wehre ging deutlich schneller und an manchen Stellen konnten wir die Boote auch einfach treideln. Die Sonne, mit blauem Himmel, wechselte sich mit drei heftigen Gewitterschauern ab. So pausierten wir zwischendurch an halbwegs geschützten Stellen. 

Der nächste Tag war Ruhetag. Fritz hatte Geburtstag. Vormittags schauten wir uns die Burganlage in Bechyně an. In das Renaissance-Schloss sind wir leider nicht hineingekommen. Es war wegen Bauarbeiten geschlossen. Ich legte einen Versuch ein, die Kamera noch einmal zum Leben zu erwecken. Ich brauchte auf jeden Fall eine neue Batterie. In einem Uhrenladen wurde ich fündig und der freundliche Besitzer half mir so gut es ging. Es half nichts, die Kamera blieb stumm.

Anschließend setzten wir ein Auto nach Horní Lipovsko um. Auf dem Rückweg hielten wir noch einmal in Bechyně. Dort hatten wir ein nettes Café entdeckt und so gab es Geburtstagskuchen, Eis und Cappuccino. Und natürlich wurde am Abend am Lagerfeuer noch weiter gefeiert.

Horní Lipovsko

Der nächste Paddeltag führte uns nach Horní Lipovsko. Um 11.00 Uhr starteten wir die 22-km-Etappe. Die Lužnice wurde nun immer breiter und die Sonne versteckte sich hinter den dichten Wolken. Ein, auf der Wasserwanderkarte eingezeichnetes, Wehr ließ sich nur noch erahnen. Der Wasserstand war wohl hoch genug, dass wir darüber hinwegfuhren, ohne es zu bemerken. Nach etwa 10 km bogen wir in die Moldau ein. Dort fanden wir ein nettes Plätzchen für die Mittagspause. Die Strömung wurde jetzt immer geringer. Die Moldau wurde mehrfach aufgestaut und das machte sich nun deutlich bemerkbar. Am späten Nachmittag waren wir am Ziel. Wir Männer holten die Autos. Die Frauen bauten schon ein Zelt auf. Das war auch gut so, denn schon bald fing es wieder an zu regnen.
Fritz und ich fuhren dann noch ein Stück weiter und suchten einen Zeltplatz in der Nähe von Zvikov. Das stellte sich als langwieriger als gedacht heraus und wir wurden erst in paar Kilometer von Zvikov entfernt fündig. Das Camp lag am Fluss Otava. Als wir dann nach 4 Stunden endlich wieder in Horní Lipovsko waren, hörte es auch auf zu regnen.

Zvikov und Štědronín-Plazy

Wir frühstückten bei bestem Wetter. Auf dem Tourenplan stand nun eine 24-km-Etappe bis Zvikov auf der Moldau und dann noch ein kurzes Stück auf der Otava bis nach Štědronín-Plazy. Die Moldau wurde immer breiter, schon fast wie ein See. Dafür hatten wir auch kaum noch Wehre. Wir kamen zügig voran. Die Flussufer waren felsig und steil. An solch einem abgelegenen Flussabschnitt entdeckte meine Frau ein kleines pelziges Wesen am Ufer umherlaufen. Mein Schwiegervater meinte, es könnte ein Fischotter sein. Es sah aber eher wie ein Wiesel aus, wie ich fand, nur mit der falschen Fellfarbe. Es ließ sich von uns überhaupt nicht stören und so konnten wir das Tier lange beobachten. Inzwischen wissen wir, dass es ein recht seltener europäischer Nerz war.
Um 15.30 Uhr waren wir auf der Höhe der Burg Zvikov und paddelten um sie herum und dann flussaufwärts in die Otava hinein. Eine halbe Stunde später waren wir am Camp.

Burg Zvikov
Burg Zvikov
Zvikov und Paddelboot
Zvikov und Paddelboot
 
Burg Zvikov

Der nächste Tag war "Ruhetag". Die ganze Nacht hindurch feierten die Schulklassen, die ebenfalls dort campten. Laute Musik gehörte natürlich dazu. Und das Baden im Pool. Direkt neben unseren Zelten. Baden hört sich so harmlos an. Nein, eigentlich wurden die ganze Nacht "Arschbomben" ins Wasser, und das mit Anlauf, geübt. Wir Männer und unser Dackel waren mehr oder weniger die ganze Nacht wach.

Orlík nad Vltavou

Nach dem Frühstück setzten wir Fritz´ Auto zum nächsten Etappenziel um und auf dem Rückweg besuchten wir die Burg in Orlík. Wir hatten bestes Sommerwetter bei 30°C und wir bekamen sogar eine Führung in deutscher Sprache. Auch das Restaurant war hervorragend. Dort aßen wir gerade zu Mittag, als es ordentlich gewitterte.
Und noch ein Burgbesuch stand auf dem Kulturprogramm. Die Burg Zvikov bietet eine wunderbare Aussicht auf den Zusammenfluss von Otava und Moldau und die umliegende Landschaft. Sie wurde bereits im 13. Jahrhundert gebaut und gilt als eine der ältesten Burgen Böhmens. Durch die perfekte Lage war die Burg strategisch wichtig und diente als königliche Residenz und Verteidigungsanlage. Die Burg hatte eine beeindruckende Architektur, mit Elementen aus Romanik und Gotik. Und es rankt sich eine Legende um diese Burg. Der Rarášek soll hier immer noch spuken. Wer es wagt, im Schlossturm zu übernachten, soll angeblich innerhalb eines Jahres sterben. Das Risiko sind wir natürlich nicht eingegangen und haben lieber wieder im Zelt übernachtet. 😉

Velký Vír

Am nächsten Tag hieß es Abschied von meinen Schwiegereltern nehmen. Sie hatten nur eine Woche Urlaub und mussten zurück an die Arbeit. Wir drei paddelten weiter bis zum Campingplatz Velký Vír. Als wir die Brücke über die Otava kurz vor Zvikov mit unseren Booten passierten, winkten wir den Heimreisenden noch lange zu.
Die Sonne schien, wie es sich für einen Sommer gehörte. Wir waren froh, wenn ab und zu ein paar Wolken etwas Schatten spendeten. Wir hatten so gut wie keinen Wind. Die 15 km hatten wir recht zügig geschafft. Schneller als gedacht. Ein riesiger Zeltplatz, zahllose Jollen, Segelboote, Segeljachten und diverse andere Wasserfahrzeuge empfingen uns. Das sah nicht mehr wie auf einem Fluss aus, sondern eher wie ein großer See, der Orlík-Stausee.
Nach dem Zeltaufbau und dem Umsetzen des Autos verbrachten wir den Abend mit Kartenspielen.
In der Nacht gab es ein unglaubliches Gewitter. Der Wind heulte und der Regen trommelte. Die Blitze leuchteten hell. Der Abstand zwischen Blitz und Donner war bedrohlich gering. Das Gewitter war direkt über uns. Wir hörten die Wassermassen laufen und hofften nur, dass wir nicht auch noch wegschwammen. An Schlaf war lange Zeit nicht zu denken. Außer meine Frau. Sie schlief seelenruhig und fest neben mir.
Wir standen mit unseren Zelten goldrichtig. Sie hielten dem Starkregen und stürmischen Wind stand. Um uns herum sah es nicht so gut aus. Viele einfache Sommerzelte waren regelrecht "abgesoffen". Überall hingen Wäscheleinen mit nassen Sachen zum Trocknen... Aber es wurde niemand verletzt. Das war das Wichtigste.

Camp Popelíky

Unsere Kurzetappe zum anderen Ende des Stausees führte uns nur 10 km bis zum Camp Popelíky. Es war Sonntag und damit wurden keine Boote über die mächtige Staumauer gebracht. Wir verbrachten den Rest des Tages mit Lesen und Kartenspielen. Und wir sahen am Abend Glühwürmchen um uns herum. Auch eine tolle Erfahrung.

Spantenbruch nach dem Wehr Benešův mlýn
Spantenbruch nach dem Wehr Benešův mlýn
Auf der Moldau - Burg Orlik
Auf der Moldau - Burg Orlik
Schienen für die Boote am Wasserwerk Kamýk
Schienen für die Boote am Wasserwerk Kamýk
Steile Ausstiegsstelle am Wasserwerk Kamýk - Moldau
Steile Ausstiegsstelle am Wasserwerk Kamýk - Moldau
Staumauer Orlik - Moldau
Staumauer Orlik - Moldau
Staumauer hinauf
Staumauer hinauf
Staumauer hinunter
Staumauer hinunter
Abendstimmung
Abendstimmung
Entenfütterung
Entenfütterung
Schloss Jindřichův Hradec
Schloss Jindřichův Hradec
Schloss Třeboň
Schloss Třeboň
Most u Červené nad Vltavou - Moldau
Most u Červené nad Vltavou - Moldau
 
Unterwegs mit dem Faltboot

Županovice

Am nächsten Morgen paddelten wir recht früh hinüber zur riesigen Orlik-Staumauer und dann in die Slipanlage hinein. Insgesamt ist die Mauer etwa 100 m hoch und 500 m breit! Für uns  ging es "nur" 40 Meter die hohe Mauer hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Beeindruckend. 
Plötzlich war die Moldau wieder schmal und landschaftlich sehr schön. Trotzdem benahm sie sich noch nicht wie ein Fluss. Die Strömung fehlte. Kein Wunder denn nach etwa 10 km kam das Wasserwerk Kamýk. Die Staumauer ist auch immerhin 40 m hoch und 300 m breit. Es gab zwar auch eine Schleuse, aber für zwei Faltboote passierte dort gar nichts. Es gab kleine Wagen auf Schienen, auf denen man die Boote packen konnte und herumfahren. Das hatte richtig Spaß gemacht, die 200 Meter zu laufen!
Pünktlich zum Kaffee waren wir in Županovice und genossen den restlichen Nachmittag und Abend.

Ždáň

Unsere letzte Paddeletappe führte uns bis Ždáň. Etwa 3 km dahinter kam die Talsperre Slapy. Theoretisch hätte sie eine Schleuse. Aber nach der Erfahrung in Kamýk wollten wir das nicht riskieren. Dann hätten wir die Talsperre regelrecht umfahren müssen, denn es wären eher Kilometer zu "umtragen" gewesen. Die Mühe wollten wir uns nicht machen. So genossen wir unsere letzten 26 km auf der Moldau, bei Sonne und ein wenig Wind.

Prag

Frisch geduscht und rasiert, Boote getrocknet und eingepackt, machten wir uns mit den Autos auf den Weg nach Prag. Wir waren ja schon ganz in der Nähe. Und die tschechische Hauptstadt ist immer einen Besuch wert. Prag bietet eine beeindruckende Architektur. Die Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe.
Unseren Campingplatz im Stadtteil Smichov, direkt an der Moldau, fanden wir sofort. Die Zelte standen schnell, denn wir hatten ja nun ausreichend Übung darin. Zur Mittagszeit waren wir in der Innenstadt. Überall wurde kräftig modernisiert, restauriert und gebaut. Die Sonne schien und die Stadt war voller Touristen. Nach sieben Stunden Sightseeing kamen wir wieder am Zelt an. Es wurde kühler und auch feuchter. Fritz hatte noch etwas Rum übrig. Der wurde jetzt geleert.

Wir blieben noch einen Tag in Prag. Wir nahmen uns die Zeit, das Burggelände mit den ganzen vielen Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Die Prager Burg gehört immerhin zu den größten Burgen der Welt! Da muss man schon etwas Zeit einplanen. Am Nachmittag wurden die Geschäfte "unsicher" gemacht.
Unseren letzten Abend verbrachten wir bei gutem tschechischem Essen und Bier in einem Restaurant. Noch einmal ließen wir unsere aufregenden und kulturellen Erlebnisse Revue passieren. 

Prag
Prag
Prag
Prag
 
Prag

Hürdenlauf auf dem Wasser


Die Faltboote hatten auf der ca. 220 km Paddelstrecke einmal mehr bewiesen, wie robust und universell einsetzbar sie sind. Immerhin schwamm unser Boot auch noch mit angeknackster Leiter und geschienten Spanten weiter. In Faltboote bekommt man verhältnismäßig viel Gepäck hinein, wenn man gut packt. Allerdings will ich die Nachteile auch nicht verheimlichen. Viele Wehre hatten Bootsrutschen. Mit einem "Plastik"-Boot wäre die Befahrung dieser Rutschen sicherlich häufiger möglich gewesen, wenn auch nicht überall. Das war mit unseren voll beladenen Faltbooten leider undenkbar. Die erhebliche Anzahl an Wehren und anderen Hindernissen sorgte mitunter für ein gewisses Hürdenlauf-Gefühl.
Besonders die schmalen und urwüchsigen Flussabschnitte boten jede Menge Natur. Wir konnten Wasservögel, Fische und Libellen sehen. Auch einen Eisvogel hatten wir entdeckt. Die umliegenden kleinen Orte mit ihren Burgen und Schlössern waren natürlich eine Besichtigung wert. Das gute und deftige tschechische Essen sollte hier auch Erwähnung finden. Auch die Hilfsbereitschaft der freundlichen Gastgeber war bemerkenswert.
Beim Paddeln auf dem Wasser konnten wir wunderbar abschalten und Kraft tanken. Es sei denn, man musste gerade große Steine umfahren oder quer liegenden Bäumen ausweichen. Dann sollte man das mit dem Abschalten nicht zu wörtlich nehmen. 😉

 

Informationen:


Im Internet findet man einige Informationen zu den Flüssen. Erste Anlaufstelle ist für mich meistens faltboot.org. Auch die DKV Kanuführer sind hilfreich. Ansonsten kann man auch gut die Online-Kartendienste nutzen, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Wichtig ist es, dass man sich möglichst aktuelles Material besorgt. Die Flüsse verändern sich stetig und auch durch menschliche Umbaumaßnahmen kann es sonst zu ungewollten Überraschungen kommen. So entstehen mitunter neue Campingplätze, alte könnten schon verschwunden sein oder wurden umbenannt.

Die Lužnice (Lainsitz oder Luschnitz) ist ein Nebenfluss der Moldau mit einer Gesamtlänge von ca. 200 km. Sie entspringt in Österreich im Freiwald am Aichelberg und fließt nördlich von Týn nad Vltavou in die Moldau.
Wer mehr über den Fluß Lužnice (deutsch: Lainsitz) erfahren möchte, findet dazu etwas unter faltboot.org
Eine Gewässerkarte gibt es hier (ein tschechischer Verlag!).

Die Moldau ist der größte Fluss in Tschechien und ist auch der größte Nebenfluss der Elbe. Sie ist etwa 430 km lang.
Mehr Informationen über die Moldau findet man ebenfalls unter faltboot.org
Eine Gewässerkarte für die Moldau gibt es hier (tschechischer Verlag!)

Die Otava ist ein weiterer Nebenfluss der Moldau und ca. 113 km lang. Er ist ebenfalls ein beliebter Paddelfluss.
Eine Gewässerkarte für die Otava gibt es hier (tschechischer Verlag!)
Und eine gute Flussbeschreibung hier.